FUTUREGIRLS

Ingrid Vien

Alle Fotografie

02. Juni 2020 - 26. Juni 2020

Fotogalerie im Grazer Rathaus
Landhausgasse 2 / 2. Stock
A-8010 Graz

Kulturstadtrat Dr. Günter Riegler, das Kulturamt der Stadt Graz und die Kulturvermittlung Steiermark laden zur Fotoausstellung ein.

Öffnungszeiten
Mo-Fr  /  15:00-18:00 Uhr, an Feiertagen geschlossen
Eintritt frei

Bitte beachten Sie beim Besuch der Ausstellung die aktuell geltenden COVID-19-Bestimmungen.

Ingrid Vien arbeitet seit 2006 an Charakterstudien von Frauen ab dem sechzigsten Lebensjahr im Stil der Modefotografie. Ihre Modelle sind Laien, deren Posen sind nicht inszeniert, sondern wurden den Modellen selbst überlassen. Die zeitgenössische Architektur und die Kleidung, die die Künstlerin eigens für die Person und das Foto herstellt, bilden wichtige Bestandteile eines Settings, das dazu dient, gängige Rollenbilder bewusst zu machen, sie in Frage zu stellen und neue Identifikationsmodelle zu entwickeln.

Ingrid Vien, geboren in Voitsberg, arbeitet seit 2001 unter ihrem Pseudonym. Seit 2004 übt sie eine Lehrtätigkeit an der Universität für Angewandte Kunst in Wien aus. Zusammen mit dem Konzeptkünstler Gustav Troger entwickelt sie seit 2007 Fotodokumentationen in der Serie „mirrortravel“.

„Seit 2006 setze ich mich mit Charakterstudien von Frauen ab dem sechzigsten Lebensjahr auseinander. Die fortlaufende Portraitserie ist dem Stil der Modefotografie nachempfunden. Die Modelle deren Namen den Bildtitel ergeben, sind Personen, die ich meist auf der Straße oder im Museum anspreche oder im Bekanntenkreis entdecke. Sie lösen in mir ein Faszinosum aus, das mich veranlasst ein Bild von ihnen zu entwickeln. Ich stelle die Kleidung eigens für die Person und das Bild her. Der spezifische Ort für die Aufnahme steht im Kontext zur Kleidung der Person, die abgebildet wird, wobei mir moderne Architektur ein wichtiger Aspekt ist.

Das Verhältnis zwischen der Fotografierten, der Kleidung und der Architektur kann mit der Idee der „Heterotopie“ von Foucaults Räumen verglichen werden. Alle Kulturen sind Heterotopien, so Foucault, der zwei Kategorien und fünf Prinzipien bereitstellt, um die Anwendung des Konzepts in der Realität zu erklären. Sie können u.a. die Funktion innerhalb einer Gesellschaft verändern. Meist sind die Personen in dem Moment der Aufnahme in der Kleidung völlig anders als in ihrem Alltag. Das Aufeinandertreffen des realen Architekturraumes mit der Frau verändert ihr Erscheinungsbild viel stärker und schafft eine gewisse Modernität oder Zeitgemäßheit, die z. B. ein jüngeres Modell in derselben Kleidung und Architektur nicht erreichen würde.

Gerade die Ambivalenz die zwischen dem älteren Modell, der Kleidung und der Architektur besteht, schafft die Neudefinition, bezogen auf das neue Bild. Auch das gewohnte alte Bild erfährt eine Verschiebung des Kontexts, das durch das Neue ausgelöst wird. Ältere Menschen gestalten sich im Alltag meist anders, die Verschiebung der Zeitlichkeit bezogen auf die Kleidung scheint das gängige gesellschaftliche Rollenbild zu verändern. Es ist mir ein Anliegen, ein Modellbild zu entwickeln, das gängige Rollenbilder hinterfragt und neue Identifikationsmodelle herstellt. Es ist auch ein Versuch ein Modellbild zu entwickeln, das so in der Medienwelt nicht vorkommt.“

(Text: Ingrid Vien)

 

Mimy Noever, Universität für Angewandte Kunst, Wien, 2006

Das Bild Mimy Noever 2006 zeigt die erste Teilnehmerin der Serie, die wie erst später bekannt wurde, damals bereits ihren 93-jährigen Geburtstag gefeiert hatte und somit der Serie einen besonderen Auftakt verleiht. Sie wurde 105 Jahre alt. Sie war eine der wenigen Frauen, die in den 1930er Jahren Medizin studiert haben. Sie war geschäftsführende Gesellschafterin des elterlichen Betriebes Büromöbel Svoboda. Damals fuhr sie einen grünen Jaguar mit cognac-farbener Lederpolsterung, trug Leopardenjacken, hohe Stiefel und war stets gut frisiert von ihrem Wiener Leibfriseur Er-Ich.

 

Susi Leithe-Jasper, Universität für Angewandte Kunst, Wien, 2008

In Wien geboren und am Land aufgewachsen, arbeitete Susi Leithe-Jasper im Bundesdenkmalamt und später im Verein für Museumsfreunde. Sie pflegt Interessensgebiete wie Arbeiten mit Ton, Fotografieren, Tanzen, Oper, Ballett, modern dance, Musik. Sie ist ein leidenschaftlicher Familienmensch und seit 57 Jahren verheiratet. Sie hat einen Sohn und eine Tochter und lebt in Wien.

 

Gerta Klammer, Kunsthaus Graz, 2009

Gerta Klammer war in ihren späteren Jahren als Museumsaufsicht tätig. Ich wurde auf sie aufmerksam, weil sie durch ihre selbstgenähten Kleider und ihr weißes Haar aus der Menge herausstach. Sie war sehr kulturinteressiert.

 

Joan Rose, Österreichisches Kulturforum, New York, 2009

Joan Rose wurde in New York City geboren, wo sie bis heute lebt. Sie hatte eine 31-jährige Karriere in leitender Position in einem aufwendigen Fashionshowroom in Midtown Manhatten und ist Vizepräsidentin im Board of Directors des weltberühmten „LaMama Experimental Theatre“. Derzeit arbeitet sie ehrenamtlich bei der gemeinnützigen Organisation „The bottomless closet“, im Dienst an Frauen, die wieder ins Berufsleben zurückkehren. Joan Rose wurde zur freiwilligen Helferin des Jahres 2016 nominiert und gewann diese Auszeichnung.

 

Eva Zsöts, Kettenbrückengasse Wien, 2010

Das Bild zeigt Eva Szöts in ihren Privaträumlichkeiten in einer Testserie. Zum eigentlichen Fototermin kann es leider nicht, weil Frau Szoets mittlerweile völlig überraschend verstorben war. „Meine Seele ist sehr modern, aber ich bin umgeben von Antiquitäten, von denen ich mich nicht trennen kann.“ Sie war früher Modell, floh 1956 im Ungarnaufstand nach Wien, wo sie mit einem Filmregisseur verheiratet war und hat eine Tochter.

 

 

 

Julia Gschnitzer, Berg Isl Innsbruck, 2011

Julia Gschnitzer begann ihre schauspielerische Laufban am Tiroler Landestheater Innsbruck. Von 1960 bis 1990 war sie am Wiener Volkstheater, anschließend bis 1994 am Salzburger Landestheater. Danach arbeitete sie als freie Schauspielerin für Hörfunk, Film, Fernsehen, spielte 2013 im Salzburger Jedermann und war 1971 die erste Stimme von FRANZ am Ende des Werbespots in der damals avantgardistischen Humanik-Werbung, gestaltet von Axel Corti. Sie lebt heut in Innsbruck.

 

Johanna Lawrenson, Thousand Islands, New York, 2011

Johanna Lawrenson wurde in New York City geboren und lebte später in Frankreich und Mexiko. In ihren 20ern war sie Fotomodell in Paris, danach Fotografin. Später arbeitete sie mit ihrem Partner Abbie Hoffmann in einer Umweltbewegung zur Rettung des Saint Lawrence River, der Heimat der Familie ihrer Mutter. In den 1980er Jahren organisierte sie Reisen nach Nicaragua und Mittelamerika und lebt heute in NYC, wo sie weiterhin für „Save The River!“ und die „Abbie Hoffman Activist Foundation“ arbeitet.

 

Anni Brus, Maleratelier Enrique Fuentes, Wien, 2012

Anni Brus wurde im kroatischen Viškovci als Ana Steiner geboren. Sie ist eine der wichtigsten Performerinnen, die im Wiener Aktionismus beteiligten waren. Neben ihrer konzeptionellen Mitwirkung verdiente sie als Schneiderin den Unterhalt für sich und ihren Ehemann. Sie lebt heute mit ihrer Familie in Graz.

 

Lynn Umlauf, New Museum of Contemporary Art, New York, 2012

“Liebe Ingrid, ich denke jetzt an die Skulptur, an der ich gerade arbeite. Man könnte sie eine Abstraktion im Inneren des Geistes nennen. Eine Figur aus chromblechenem Stahl als Struktur und das feine Edelstahlgewebe um die Form genäht. Ich fange an, das Stück zu mögen, es hängt an der Wand und es kann auch von der Decke hängen. Ich bin bestrebt, Ölfarbe als nächstes zu verwenden, um ihm Leben zu geben. Hoffentlich kann ich es bald fotografieren, Best Lynn.“

 

Joann Puccini, De Young Museum, San Francisco, 2014

Joann Puccini wurde in San Francisco geboren und hat griechische Vorfahren. Sie war Fotomodell in ihren 20ern und wurde später Autorennfahrerin in drag racings (Beschleunigungsrennen). Sie war Meisterfriseurin für Prominente aus der ganzen Welt am glamourösen Union Square in San Francisco. Später widmete sie sich der Erziehung von schönen afghanischen Hunden, mittlerweile befindet sie sich im Ruhestand.

 

Madelon Umlauf, The Circuit of the Americas, Austin/Texas USA, 2017

Madelon Umlauf wurde in Austin, Texas geboren und lebte später in New York City, wo sie eine Rolle in einem Andy Warhol-Film ablehnte. Sie ist eine fromme Frankophile und hat dieses Land so oft wie möglich besucht. Eine Einzelausstellung ihrer Bilder in einer Galerie in Austin sollte im April eröffnet werden, wurde jedoch verschoben. Lynn und Madelon Umlauf sind Zwillingsschwerstern.

 

Alice Carey, Richard Meier building, Greenwich Village New York, 2019

“Ich bin eine irische Frau, eine Schriftstellerin und eine Frau. Vor allem bin ich New Yorkerin, die ihr ganzes Erwachsenenleben im Schatten der abgebildeten Richard Meier-Gebäude in Greenwich Village verbracht hat.“ Alice wurde u.a. von Ari Seth Cohen für Advanced Style im September 2016 abgebildet.

 

Sara Hills, Hills Residenz, Napa Valley Kalifornien, 2019

Sara Hills ist eine Amerikanerin, die lange in Frankreich gelebt hat, wo sie als Fotografin für eine Agentur gearbeitet hat. Später lebte sie in London. Heute residiert sie mit ihrem Ehemann Austin Hills in San Francisco und Napa Valley.

 

Viva Hoffmann, San Jacinto Mountains Palmsprings, Kalifornien, 2019

Viva Hoffmann war ein “workaholic”, die ständig schrieb, malte oder Videos aufzeichnete. Jetzt kümmert sie sich nur noch um ihre Enkelkinder Lewis, Rosy, Miklos und Luzia. Sie zwingt sich, in den langen Intervallen zwischen dem Besuch der Kinder zu malen und zu schreiben, findet sich allerdings aufgrund der endlosen Anzahl von Bedrohungen des Fortbestandes der Menschheit meistens auf Facebook wieder. Sie bleibt jedoch hoffnungsvoll. Andy Warhol gab ihr den Namen „Viva Superstar“, sie spielte in unzähligen Filmen u.a. von Agnes Varda und Woody Allen.

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